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Dornstetten (Germany)

Stand: 09.Juni.2017


Ich habe mir mit Absicht viel Zeit hierfür gelassen. Mittlerweile ist es mehr als einen Monat her, das ich wieder zu Hause bin. Ich war im Urlaub und hatte dort viel Zeit über das Geschehene nachzudenken…

Ich hatte einen solchen Trip mit dem Fahrrad schon lange geplant, jedoch war es mir bis auf einen kleinen Trip (~600 km) entlang der Donau bisher Zeitlich, Geld-Technisch und zugegebenermaßen auch ein wenig Mental nicht möglich…

Die große Frage war eigentlich immer ob ich meine Reise alleine oder mit einer anderen Person machen soll. Eine weitere Hauptfrage war natürlich das Ziel. Nachdem es im vergangenen Jahr nicht mit meiner geplanten Reise (zu zweit) geklappt hatte, ist mir klar geworden das ich es einfach alleine versuchen sollte. Den perfekten Reisepartner für eine solche Reise zu finden ist verdammt schwer. Also plante ich meine Reise eben dieses Mal selber. Aber wohin? Ich nahm mir eine Karte.  Eigentlich gab es da viel zu viele gute Ziele. Unzählige Orte an die ich noch irgendwann gerne gehen würde. Ich beschränkte mich also bei dieser Reise aber „nur“ auf Europa. Ich hatte zwar schon viele Länder mit meinen Eltern und Freunden bereist, aber behaupten, dass ich Europa kenne, davon kann keine Rede sein.  Am Ende waren 3 Ziele in der Endauswahl:

1. Gibraltar (Die „Brücke“ nach Afrika und der Südzipfel-Europas)

2. Die Bosporus-Brücke in Istanbul (Das „Tor“ nach Asien)

3. Das Nordkap (Der nördlichste Punkt von Europa)

Hier ist unschwer zu erkennen, dass es sich um „Endpunkte“ in Europa handelt. Weiter geht es danach auf dem Landweg nicht mehr. Quasi eine Reise ans „Limit“.

Das Nordkap reizte mich aber am meisten. Also fing ich an mir Infos einzuholen, vor allem über Norwegen. Ich plante grob meine Route. Es sollte als erstes durch die Heimat gehen, also einmal quer durch Deutschland, dann durch Dänemark, Schweden und Norwegen. Über meinen Heimweg machte ich mir kaum Gedanken. Ich wollte in der Hauptsache Norwegen bereisen und vor allem das Nordkap erreichen.

Da ich solch eine Radreise bisher noch nicht gemacht hatte, brauchte ich noch einiges an Ausrüstung. Ich brauchte vor allem auch ein taugliches Fahrrad, da mein aktueller „Drahtesel“ eine solche Reise nicht überstehen würde. Also kaufte ich mir ein neues Trekking-Rad von „Stevens“. Hinzukamen Dinge wie Radtaschen, Radkleidung, Radnavigationssystem usw.…

 

Nach Wochen und Monaten der Planung ging es am 14.05.2011 endlich los. Ich war sehr nervös was mich in den nächsten Wochen und Monaten erwarten würde. Um ehrlich zu sein musste ich im Nachhinein feststellen, dass es wesentlich intensiver war als ich es mir vorgestellt hatte und dies in jeder Hinsicht. Das es manchmal schwer werden würde, vor allem alleine, das hatte ich erwartet und auch irgendwie ja so gewollt. Ich wollte mich schließlich ja auch selber mehr kennenlernen.

Die ersten 3 Tage war ich noch in bekannter Umgebung. Ich schlief in meinem Elternhaus und bei meinen Bruder. Bereits am dritten Tag hatte ich meinen ersten Platten (nach insgesamt ~70km). Es konnte was dies anging also nur besser werden. Und tatsächlich brauchte es weitere 2000 km bis zu meinem 2. Platten. Allerdings hatte ich dort dann gleich 3 Platten an einen Tag.

Die Tour durch Deutschland erwies sich als gar nicht mal so einfach. Obwohl man noch mit der eigenen Währung zahlen konnte und die Sprache sprach. Das große Problem war wie nicht anders zu erwarten natürlich der Kopf. Das Mentale. Es machten sich die ersten Trainingsrückstände bemerkbar und das Ziel schien scheinbar unerreichbar weit weg. Wie sollte ich jemals bis ans Nordkap kommen, wenn ich gerade einmal in Heidelberg bin. Ein Zitat aus dem Film „The Beach“ passt meiner Meinung perfekt zu meiner Situation:

„… aber wenn ich ehrlich sein soll, war ich genauso wie jeder andere auch. Ich hatte eine scheiß Angst vor dem großen Unbekannten und war verzweifelt darum bemüht ein Stück Heimat mitzunehmen…“


In Deutschland hatte ich meine Route glücklicherweise so gelegt, das ich etwa jeden 2.-3. Tag einen bekannten besuchen konnte. So vergingen die ersten 2 Wochen. Es war ein auf und ab. Immer wieder gab es schöne Momente und wunderbare Begegnungen mit tollen Menschen. Allerdings gab es auch schlechtes Wetter, körperliche Probleme und einsame Momente. An den Abenden viel ich meist schon sehr früh ins Bett/Zelt.

Ein für mich ersten großer Schritt war das Erreichen der ersten 1000km. Kurz hinter Hamburg hatte ich dieses erste Ziel erreicht. Ich feierte in „Elmenhorst“ mit einer großen Pizza diesen ersten Meilenstein meiner Fahrradreise… Ein paar Tage später hatte ich fast ganz Deutschland nach 1148 einmal von Süd nach Nord durchquert. Ein weiterer großer Schritt. Es hieß also erst einmal Abschied nehmen vom Euro und dem günstigen Leben in hier Deutschland.

 

Also nächstes folgte Dänemark. Ein flaches Land, das man Super mit dem Fahrrad bereisen kann. Nach 2 Wochen auf dem Rad tat mir mein hintern bereits sehr weh, trotz Radkleidung und Sitzpolster hatte ich einen wunden Hintern. Hinzu kam ein Zeckenbiss den ich mir in Hamburg zugezogen hatte, es sah entzündet aus und juckte sehr. Ich hatte auch niemanden mehr den ich besuchen konnte, ich war also jetzt erst einmal wieder auf mich alleine gestellt und das Ziel war immer noch sehr sehr weit weg. Es regnete viel und ich stellte mir nicht zum ersten Mal die Frage ob das wirklich das richtige war auf solche eine Reise alle zu gehen. Ich stand zum ersten Mal vor der Frage ob ich aufhören sollte. Es legte sich aber wieder. Wie so oft waren Freud und Leid sehr nah bei einander.

 

Schweden erwies sich als bisheriges Highlight. Das Wetter war ideal zum Fahrradfahren. Wie aber schon in Dänemark waren vor allen die ersten Kilometer schwer. Es war wieder ein neues Land, eine neue Währung, eine andere Sprache, eine andere Mentalität. Eben verdammt viele Eindrücke mit denen man alleine erst einmal klarkommen muss wenn man dies nicht (mehr) gewohnt ist. Ich hatte eine tolle Zeit in Schweden. Ich hatte die Möglichkeit ein Radiointerview zu machen und traf „Stani“ mit dem ich bis Oslo zusammen fuhr. Hier sah ich zum ersten Mal wie es ist mit jemand anderem zu fahren. Ich empfand es als grundlegend anders. Eine gute Abwechslung. Und auch wenn wir irgendwie dasselbe Ziel hatten, waren wir doch sehr unterschiedlich…

 

Nach 3 Wochen erreichte ich Norwegen. Das 4. Land meiner Reise und das erste in dem ich zuvor noch nicht gewesen war. Ein wunderschönes Land mit wundervollem Menschen. Es war das aufregendste Land der Reise. Ich bin mehrfach an meine Grenzen gestoßen und hatte nach 2500 km sogar eigentlich fest entschlossen meine Reise zu beenden. Den Abschnitt zwischen Oslo und Trondheim werde ich immer also den „schlimmsten“ Teil meiner Tour bezeichnen. Auch wenn am Ende alles „gut“ ging. Die stärkste Flutkatastrophe dieser Gegend seit 50 Jahren ging eben auch nicht ohne weiteres an mir vorbei. Trotzdem hatte dieses Land alles zu bieten was ich mir erhofft hatte. Ich musste feststellen, dass Europa mehr als nur wunderschön sein kann. Es ist mittlerweile auch mein „Traumland“ in Europa (Wobei ich in Island noch nicht gewesen bin;-)… Ich hatte in Norwegen meine schönste Zeit. Meine Freundin kam mich für 4 Tage besuchen und wir fuhren mit dem Auto zu den Stellen die ich mit dem Fahrrad nicht gesehen hatte (u.a. Geirangerfjord, Trollstiegen…). Weitere tolle Momente waren das Fahren auf den Lofoten und etwas später auf der Insel „Senja“ (für mich der Geheimtipp in Norwegen). Ich habe dort auch zum ersten Mal die Mitternachtssonne gesehen. Ein Phänomen, dass mir auch wohl immer in guter Erinnerung bleiben wird und was ich auch auf jeden Fall noch einmal erleben will. Das absolute Highlight für mich war aber ganz klar das Erreichen des Nordkaps. Es gibt sicherlich schönere Stellen in Norwegen, aber für mich war es eben mein primäres Ziel. Ich habe mich lange darauf vorbereitet gehabt, hatte es auf meiner Tour auch sicher nicht immer leicht, aber ich bin dann 4269km gefahren um diesen Moment zu erleben und es hat sich definitiv gelohnt. Norwegen wird mir immer in guter Erinnerung bleiben…

 

Finnland. Ebenfalls ein Land in dem ich zuvor noch nicht gewesen war. Während ich am Nordkap 4 Tage zuvor noch ~ 4°-Grad hatte, waren es in Nordfinnland (Lappland) ~ 33°-Grad. Es war also schon fast surreal für mich. Auf gleicher „Höhe“ hatte ich in Norwegen gefroren, jetzt war es in der Mittagszeit so heiß das ich kaum Fahrrad fahren konnte. Es war nicht viel los in Lappland. Es leben kaum Menschen dort, weil es im Winter eben auch mal -40/50°Grad hat. Es ist flach und im Vergleich zu Norwegen irgendwie langweilig in meinen Augen. Trotzdem ist schön dort irgendwie. Aber ich kam mir dort oft sehr alleine vor. Es war eben kaum Zivilisation dort, was es mir bei der dort herrschenden Hitze schwer machte Trinkwasser zu bekommen. Das Wetter wurde irgendwann wieder schlechter und so nah ich mir irgendwann einen Zug und fuhr das letzte Stück nach Helsinki…

 

Das Baltikum. Estland, Lettland und Litauen. 3 Länder von denen ich quasi nichts wusste, aber sie trotzdem dringend mit den Fahrrad bereisen wollte. Estland stellte sich als schönstes Land dar in meinen Augen. Es war das Land das in meinen Augen sicherlich am weitesten ist. Lettland und Litauen hinken da doch schon etwas hinterher. Das Reisen mit dem Fahrrad ist im Baltikum auch manchmal nicht sehr einfach. Es gab oft keine andere Möglichkeit als auf die „Autobahn“ auszuweichen wo auch viel Verkehr unterwegs war. Die Landstraßen waren hingegen oft fast Autofrei, dafür waren die Straßen allerdings auch in einem sehr schlechten Zustand. Am Ende war ich froh diese 3 Länder aber durchreist zu haben. Ich weiß jetzt mehr über diese Länder…

 

Nach meiner ~ 22 Stündigen Fährfahrt von Klaipeda nach Deutschland und der Fahrt mit dem Wochenendticket einmal quer durchs Land war ich also tatsächlich wieder in meiner Heimat. Ich war froh wieder zuhause zu sein. Endlich mal wieder ein Dach über dem Kopf, Strom, fließendes (Trink-)Wasser, Duschen und natürlich Freunde und Familie. Schon ein toller Moment , wenn man es dann tatsächlich geschafft hat. Natürlich war ich auch ein wenig traurig, dass die Reise zu Ende war.

 

Ob ich jemals wieder eine solch lange Reise alleine mit dem Fahrrad machen werde weiß ich zurzeit noch nicht. Das Reisen mit dem Fahrrad ist jedenfalls eine wie ich finde ideale Möglichkeit sich fortzubewegen. Man ist sehr nah mit der Natur verbunden, man erlebt viel mehr als wenn man mit einem Auto mit 100km/h über die Autobahn brettert und man lernt Distanzen mehr zu schätzen. Man darf dies aber auf keinen Fall unterschätzen, man ist von sehr vielen Dingen auch sehr abhängig. Vor allem Wind und Wetter können eine Radtour zu einer Qual werden lassen. Es gibt kein Dach, keine Türen und keine Heizung die man Aufdrehen kann. Es gibt eben viele Vor- und Nachteile und solch eine Reise ist auch sicher nicht für jeden etwas. Man muss sich darauf einlassen, sich an Kleinigkeiten zu erfreuen und von den guten Momenten zehren. Es klingt im Nachhinein selbst für mich „einfach“. Doch wie oft lacht man über eine Situation in der Vergangenheit, die tatsächlich einen an den Rand des ertragbaren gebracht hat…

 

Meine Reise werde ich wohl nie wieder vergessen. Egal welche Reisen noch folgen werden. Ich habe vieles dazugelernt über Europa, den Menschen, das alleine Reisen und natürlich über mich selbst. Ich habe wundervolle Begegnungen mit tollen Menschen gehabt, Momente erlebt die man für kein Geld der Welt kaufen kann und Erfahrungen gemacht die nur wenige in dieser Art machen.

An dieser Stelle auch noch ein Dank, alle die mich auf meiner Reise unterstützt haben. Sowohl von zuhause, als auch die Menschen die ich auf der Reise getroffen haben. Oftmals waren es schon kleine Dinge die mich wieder aufgebaut haben wenn es gerade einmal nicht so gut lief.

Abschließend noch einmal ein Zitat aus dem Film „The Beach“, welches auch zu 100% auf mich und meine Reise mit dem Fahrrad ans Nordkap zutrifft:

„Ich glaube immer noch an das Paradies, aber jetzt weiß ich zumindest, dass es kein Ort ist, nach dem man suchen kann. Es geht nicht darum, wo man hingeht, es geht um das Gefühl, das man hat, wenn man tatsächlich ein Teil von etwas Besonderem geworden ist. Und wenn man diesen Augenblick erlebt hat, dann bleibt er unvergesslich!“